Raum und Zeit, um den Dingen auf den Grund
zu gehen
In unseren Jahresgruppen, bestehend aus drei einzeln buchbaren Trimestern, profitieren Sie von einem außergewöhnlichen Seminarkonzept, das Ihnen neue Zugänge zur Literatur und Kulturgeschichte vermittelt und dabei auf kreative Weise zu Selbstreflexion und geistigem Austausch inspiriert.
Das können Sie erwarten:
- Verknüpfung von kultureller Bildung und kreativ-künstlerischer Praxis
- lebendiges und selbstbestimmtes Lernen mit regem Erfahrungsaustausch in einer geschlossenen Gruppe mit maximal 15 Teilnehmern
- Vermittlung eines vielseitigen Wissensspektrums durch ein hochqualifiziertes und engagiertes Dozentinnen-Team mit vielfältigen Erfahrungen in eigener wissenschaftlicher, künstlerischer und kreativer Praxis
- gemeinsame Exkursionen zu interessanten Orten, Ausstellungen, Museen im Zusammenhang mit den jeweiligen Jahresthemen
- Erprobung und Weiterentwicklung der eigenen Kreativität durch kreatives Schreiben, gemeinsame Buchprojekte, Lesungen, Referate und anderes mehr
- Wöchentliches Vormittagsprogramm in 3 Trimestern (montags), das die beiden unten stehenden Jahresthemen umfasst
- 3 mal 9 Seminarvormittage mit insgesamt 108 Unterrichts-
stunden
Jahresthemen 2023/2024
Jahresthema 1 (Christina Rohwetter)
„Ich bin nicht mehr die Hauptfigur meines Lebens“
Mütter in der Literatur
Um Mutterschaft und Mütter ranken sich seit Jahrhunderten Mythen und Klischees, die nicht zuletzt durch die Literatur miterschaffen und fortgeschrieben worden sind. Der Mythos der guten Mutter, die erfüllt ist von ihrer angeborenen bedingungslosen Mutterliebe und Fürsorge bis zur Selbstaufgabe beherrscht auch heute noch unsere Vorstellungen von Mutterschaft und stabilisiert damit nichtzuletzt patriarchale Gesellschaftsstrukturen und überkommene Geschlechterbilder.
Wir wollen in diesem Jahresthema untersuchen, wie die zeitgenössische Literatur mit den tradierten und aktuellen Muttermythen erzählerisch und formal-ästhetisch verfährt.
Im 1. Trimester wollen wir verstehen, woher unser Bild der guten Mutter eigentlich kommt. Wir begeben uns dafür zunächst mit einem Arte-Film über den Mythos Mutterschaft auf eine kulturhistorische Zeitreise, zu den Ursprüngen und Mythisierungen der hartnäckigsten Mutterbilder, um diese auf der Grundlage persönlicher Erfahrungen und gesellschaftlicher Realitäten zu hinterfragen. Eine Schlüsselfigur bei der Konstruktion der Muttermythen spielt in der christlichen Welt Maria, die Mutter Jesu. Wie die christliche Erzählung durch die Kunst der Literatur erschüttert wird, lesen wir in Colm Tóibíns Roman Marias Testament (2012). Der irische Autor erzählt hier die Geschichte Jesu aus der Perspektive der Mutter, einer analytischen und kritischen Perspektive, die neue Fragen aufwirft. Vor allem aber erschafft Tóibín hier das menschliche Porträt einer bislang stummen Mutterikone.
Im 2. Trimester beschäftigen wir uns mit der marokkanisch-französischen Schriftstellerin Leila Slimani und ihrem Werk, das in sehr unterschiedlichen literarischen Formen und Erzählweisen um die Fragen kreist, was Frau- und Muttersein in der modernen Gesellschaft tatsächlich bedeutet. In ihrem zweiten, mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten Roman Dann schlaf auch du (2016) treffen zwei Frauen aus verschiedenen sozialen Milieus aufeinander, die eine Ehefrau, Juristin und Mutter, die andere die Nanny der Kinder dieses jungen französischen Mittelschichtspaars in Paris, das Elternsein und Beruf unter einen Hut bringen und alles richtig machen wollen. Der so erschütternde wie fesselnde Roman über mütterliche Schuldgefühle und das Drama der Kinderbetreuung legt ein vielschichtiges Netz aus gesellschaftlichen und ethischen Widersprüchen frei und lässt uns unsere Modelle von einem gelungenen Leben zwischen Mutterliebe und Selbstverwirklichung in Frage stellen.
Im 3. Trimester weiten wir unseren eurozentrischen Blick. Welche Mutterbilder existieren in anderen Ländern und Gesellschaften? Im Mittelpunkt steht dabei der brandneue Roman Wovon wir träumen (2022) von Lin Hierse. Sie erzählt hier feinfühlig und poetisch „eine Geschichte vom Tochtersein. Von Nähe, Zugehörigkeit und Abgrenzung. Von Deutschland und China. Und von Geistern, die uns niemals loslassen.“ (Klappentext)
Texte:
Colm Toíbín, Marias Testament, übersetzt von Giovanni und Ditte Bandini, dtv 2015
Leila Slimani, Dann schlaf auch du, übersetzt von Amelie Thoma, btb 2018
Lin Hierse, Wovon wir träumen, Piper 2022
Ein weiterer Text wird unsere Lektüren und unseren Austausch trimesterübergreifend flankieren:
Rachel Cusk, Lebenswerk. Über das Mutterwerden (1991), aus dem Englischen übersetzt von Eva Bonné , Suhrkampt 2022.
Mehr darüber dann am ersten Termin im 1. Trimester!
Jahresthema 2 (Dr. Sabine Göttel)
Die „Fröste der Freiheit“:
Marieluise Fleißer
Für Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek ist Marieluise Fleißer (1901-1974) die „größte Dramatikerin des 20. Jahrhunderts“ und hätte den Nobelpreis verdient. Anderen galt sie als ‚die einzige bayerische Autorin von Weltruhm‘. Die erfolgreiche Dramatikerin, gefeierte Prosaautorin und Freundin berühmter Männer (Bertolt Brecht) Marieluise Fleißer aus Ingolstadt war eine bewunderungswürdige Frau, die ihrer Vision vom Schreiben trotz rigoroser Vereinnahmungsversuche treu blieb. Mit ihrem unbestechlichen „Röntgenblick“ durchleuchtete sie die Gesellschaft der Weimarer Zeit und richtete ihren Fokus auf die Machtstrukturen im Verhältnis der Geschlechter. Sie stieß dabei auf ambivalente Mentalitäten, die sie als Symptomatik einer Zeitenwende erkannte: Hellsicht und Gefangensein, Weltangst und Lebensgier. Für ihre Texte erfand sie eine neuartige Kunstsprache mit dialektalen Elementen – ein „Kunstmittel ersten Ranges“ (Walter Benjamin), das den sozialen Status und die Seelenverfassung ihrer Figuren präzise zum Ausdruck bringt. – Nach Schreibverbot und Innerer Emigration wurde Marieluise Fleißer Ende der 60er Jahre von Rainer Werner Fassbinder, Franz Xaver Kroetz und Martin Sperr wiederentdeckt. Mit Erscheinen ihrer Werkausgabe im Jahr 1972 erfuhr die Autorin die Würdigung, die ihr als einer der bedeutendsten Autorinnen des 20. Jahrhunderts gebührt.
Im 1. Trimester (April bis Juni) widmen wir uns dem einzigen Roman (Mehlreisende Frieda Geier/Eine Zierde für den Verein) und den Reisereportagen der Autorin (Andorranische Abenteuer).
Im 2. Trimester (August bis Oktober) steht das Frühwerk der Autorin im Mittelpunkt. Wir lesen und interpretieren zentrale Erzählungen, Dramen und Essays wie Fegefeuer in Ingolstadt, Abenteuer aus dem Englischen Garten und Sportgeist und Zeitkunst, in denen Marieluise Fleißer die Paradigmen der Neuen Sachlichkeit reflektiert und einen völlig eigenständigen Stil entwickelt.
Im 3. Trimester (November bis Januar) lesen wir ausgewählte Texte aus der Zeit der Inneren Emigration, der Nachkriegszeit und aus dem Spätwerk Marieluise Fleißers, wie Die Frau mit der Lampe, Der starke Stamm, Das Pferd und die Jungfer und Avantgarde.
Exkursion
Im August steht eine zweitägige Exkursion nach Ingolstadt auf dem Programm. Dort besuchen wir das Geburtshaus von Marieluise Fleißer in der Kupferstraße, das in den letzten Jahren zu einer sehr sehenswerten literarischen Dokumentationsstätte umgestaltet wurde. Fleißerhaus – Marieluise-Fleißer-Gesellschaft Ingolstadt e.V. (fleisser.net)
Marieluise Fleißer: Gesammelte Werke. Vier Bände. Suhrkamp Verlag
Marieluise Fleißer: Briefwechsel 1925-1973, Suhrkamp Verlag (TB)
Hiltrud Häntzschel: Marieluise Fleißer. Eine Biografie, Insel Verlag 2007
TERMINE 2023/2024
Kurszeiten: montags, jeweils 9.30 – 13.00 Uhr
Ort: Akademie LITERATUR&LEBEN,
Königsworther Str. 23a, 30167 Hannover
1. Trimester
(9 Termine)
17.04.23
24.04.23
08.05.23
15.05.23
22.05.23
05.06.23
12.06.23
19.06.23
26.06.23
2. Trimester
(8 Termine)
07.08.23
14.08.23
21.08.23
28.08.23
04.09.23
11.09.23
18.09.23
25.09.23
3. Trimester
(10 Termine)
06.11.23
13.11.23
20.11.23
27.11.23
04.12.23
11.12.23
18.12.23
08.01.24
15.01.24
22.01.24
Teilnahmebedingungen Jahresprogramm
Mit Ihrer Anmeldung melden Sie sich verbindlich zum gewählten Trimester bzw. zum gesamten Jahresprogramm 2023/2024 an.
Sie erhalten von uns eine Anmeldebestätigung mit den Seminarterminen und die Rechnung über die Teilnahmegebühr.
Die Teilnahmegebühr ist spätestens bis zum 01.04.2023 auf das im Anmeldeformular genannte Konto zu überweisen.
Um das finanzielle Risiko zwischen unseren Teilnehmern und uns in fairer Weise zu regeln, gelten folgende Rücktritts-/ Stornobedingungen:
Eine Stornierung der Anmeldung muss schriftlich erfolgen. Kostenfreier Rücktritt von Ihrer Anmeldung ist bis 10 Tage vor Veranstaltungsbeginn möglich. Bereits überwiesene Teilnahmegebühren werden Ihnen umgehend zurückerstattet. Bei späterem Rücktritt oder bei Ausstieg aus dem laufenden Programm betragen die Stornierungskosten 100% des Jahres- bzw. Trimesterbeitrages.
Jede Person nimmt in eigener Verantwortung an der Jahresgruppe teil, das heißt sie ist für ihre körperliche, seelische und geistige Gesundheit sowohl während der Seminare als auch während der Zeit zwischen den Seminaren selbst verantwortlich. Eine Haftung seitens der Akademie Literatur & Leben für Schäden an Körper, Geist und Seele der Teilnehmer ist ausgeschlossen.
Für Unfälle auf dem Weg zum Seminar und im Seminargebäude wird nicht gehaftet.